Rechtsprechung

Aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Mietrecht

30.07.2025
4 Minuten

Voraussetzungen für eine Individualvereinbarung

Eine vorformulierte Vertragsklausel in einem Mietvertrag gilt nur dann als individuell ausgehandelt, wenn der Vermieter deren Inhalt ernsthaft zur Diskussion stellt und dem Mieter echte Mitgestaltungsmöglichkeiten einräumt. Die bloße Wahl zwischen zwei Alternativen – beispielsweise zwischen zwei Vertragsvarianten – reicht dafür nicht aus.

Streitfall: Rückzahlung der Mietkaution und Klausel zu Schönheitsreparaturen

In einem Berliner Mietverhältnis kam es zwischen der Vermieterin und der Mieterin zu Streit über die Rückzahlung der Kaution. Im Zentrum des Streits steht eine Klausel, nach der die Mieterin bei einem Auszug vor Fälligkeit von Schönheitsreparaturen anteilige Renovierungskosten tragen soll (sogenannte Quotenabgeltungsklausel). Die Wirksamkeit dieser Klausel hängt davon ab, ob sie individuell ausgehandelt wurde oder als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) zu werten ist – nur im ersten Fall wäre sie wirksam.

Vertragsverlauf: Zwei Entwürfe mit unterschiedlichen Regelungen

Die Vermieterin legte zunächst einen Vertragsentwurf vor, der einen Kündigungsausschluss von 48 Monaten sowie die Übernahme der Schönheitsreparaturen durch die Vermieterin vorsah. Im zweiten, letztlich unterzeichneten Entwurf wurden die Kündigungsfrist auf 24 Monate verkürzt und die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen auf die Mieterin übertragen. Die Miete wurde im Gegenzug um 56 Euro reduziert. Zusätzlich wurde vereinbart, dass bei einem Auszug vor Ablauf des Renovierungszyklus anteilige Kosten von der Mieterin zu übernehmen seien – die streitgegenständliche Quotenabgeltungsklausel.

Position der Vermieterin: Wahlmöglichkeit als Beleg für Aushandlung

Die Vermieterin argumentiert, dass die betreffende Klausel individuell vereinbart wurde, da sie zu Änderungen am Vertrag bereit gewesen sei und der Mieterin verschiedene Vertragsvarianten zur Auswahl gestellt habe.

Rechtliche Bewertung: Keine Individualvereinbarung durch Wahloption

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Quotenabgeltungsklausel eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellt und nicht wirksam ist. Solche Klauseln sind nur dann zulässig, wenn sie individuell ausgehandelt wurden. Andernfalls benachteiligen sie den Mieter unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Grund hierfür ist, dass die Klausel vom Mieter verlangt, hypothetische Berechnungen über künftige Renovierungskosten anzustellen – eine unzumutbare Belastung.

Kriterien des Aushandelns nach der Rechtsprechung

Nach ständiger Rechtsprechung genügt es nicht, wenn eine Vertragsbestimmung lediglich erklärt oder erläutert wird. Der Vermieter muss bereit sein, den wesentlichen Inhalt der Klausel zur Disposition zu stellen und dem Mieter echte Einflussmöglichkeiten einzuräumen.

Im vorliegenden Fall lagen keine Anzeichen dafür vor, dass die Vermieterin den Kern der Quotenabgeltungsklausel – nämlich die Verpflichtung zur anteiligen Kostenübernahme – tatsächlich zur Diskussion gestellt hätte. Die Wahl zwischen zwei bereits vorformulierten Vertragsversionen reicht nicht aus, um von einem echten Aushandeln zu sprechen.

Vertragsänderungen an anderer Stelle ohne Auswirkung

Auch die Tatsache, dass andere Vertragsbestandteile – wie die Laufzeit oder Miethöhe – geändert wurden, lässt nicht automatisch den Schluss zu, dass auch die Quotenabgeltungsklausel individuell ausgehandelt wurde. Die Individualvereinbarung muss sich konkret auf die jeweilige Klausel beziehen, um einer AGB-Kontrolle zu entgehen.

Fazit des Gerichts

Da kein echtes Aushandeln der Quotenabgeltungsklausel stattgefunden hat, ist diese als unwirksame AGB zu qualifizieren. Der Mieterin dürfen auf dieser Grundlage keine anteiligen Renovierungskosten auferlegt werden.

(BGH, Beschluss vom 8. April 2025, Az. VIII ZR 245/22)

Ein Artikel von
Astrid Schultheis
SCALARA Expertin für Rechnungswesen; Ö.r.b.u.v. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung; Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung

Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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