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Herbstzeit: Rechte und Pflichten an der Grundstücksgrenze

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23.10.2025
5 Minuten
Inhaltsübersicht

Nachbarschaftsrecht: Bäume und Hecken an der Grundstücksgrenze, was muss man beachten?

Ab Oktober dürfen Bäume, Sträucher und Hecken wieder geschnitten werden. Wer Pflanzen an der Grundstücksgrenze hat, sollte spätestens jetzt prüfen, ob Äste überhängen oder Wurzeln auf das Nachbargrundstück reichen. So lassen sich Konflikte und mögliche Schäden vermeiden.

Schnittverbot in der Schutzzeit

Zwischen dem 1. März und dem 30. September gilt ein Rückschnittverbot zum Schutz brütender Vögel und anderer Tiere. In dieser Zeit sind nur vorsichtige Pflege- und Formschnitte erlaubt. Der Immobilienverband Deutschland (IVD) weist darauf hin, dass auch überhängende Pflanzen in dieser Zeit nicht radikal zurückgeschnitten werden dürfen.

Kontrolle und Pflege im Herbst

Nach Ende der Schutzzeit sollten Eigentümer den Zustand der Pflanzen entlang der Grundstücksgrenze prüfen. Dies ist nicht nur mit Blick auf die Verkehrssicherungspflicht wichtig – etwa bei instabilen oder kranken Bäumen –, sondern hilft auch, Streitigkeiten mit Nachbarn zu vermeiden, wenn Äste oder Wurzeln über die Grenze wachsen.

Grenzabstände und Schattenwurf

Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält keine festen Grenzabstände für Bäume, Sträucher und Hecken. Diese sind in den Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer geregelt – mit Ausnahme von Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Ein Grundstückseigentümer muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn Bäume vom Nachbargrundstück Schatten werfen. Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass dadurch keine Beeinträchtigung des Eigentums entsteht (BGH, Urteil vom 10. Juli 2015, V ZR 229/14).

Überhängende Äste: Frist für den Rückschnitt

Grundsätzlich darf ein Nachbar überhängende Zweige oder Äste entfernen – allerdings erst, nachdem er dem Eigentümer des Baums eine angemessene Frist gesetzt hat, den Rückschnitt selbst vorzunehmen. Reagiert dieser nicht, darf der Nachbar die störenden Pflanzenteile abschneiden. Laut IVD ist dabei besondere Vorsicht geboten, um Schäden zu vermeiden.

Wird ein Baum durch einen unsachgemäßen Rückschnitt beschädigt, kann Schadensersatz fällig werden. So sprach das Landgericht Coburg einem Eigentümer 750 Euro zu, nachdem seine Zierkirsche durch einen unfachmännischen Rückschnitt beeinträchtigt wurde (LG Coburg, Urteil vom 9. Juni 2006, 33 S 26/06).

Selbsthilfe bei ausbleibender Reaktion

Kommt der Eigentümer seiner Pflicht trotz Aufforderung nicht nach, darf der Nachbar überhängende Äste auch dann abschneiden, wenn der Baum dadurch Schaden nimmt oder abstirbt. Der Bundesgerichtshof bestätigte dieses Selbsthilferecht in einem Urteil vom 11. Juni 2021 (V ZR 234/19).

Rückschnitt nur vom eigenen Grundstück

Rückschnittarbeiten müssen grundsätzlich vom eigenen Grundstück aus erfolgen. Das Betreten des Nachbargrundstücks ist nur mit dessen Zustimmung erlaubt. Ohne Einverständnis drohen rechtliche Konsequenzen wegen unbefugten Betretens. Die genauen Regelungen zu Rückschnittbefugnissen unterscheiden sich je nach Bundesland.

Entfernen von Grenzbäumen

Nachbarn können die Beseitigung von Grenzbäumen verlangen. Das Landgericht Itzehoe befasste sich mit einem Fall, in dem ein Nachbar eigenmächtig Bäume auf dem angrenzenden Grundstück fällte. Zwar lag eine Eigentumsverletzung vor, Schadensersatz wurde jedoch nicht zugesprochen, da die Beklagten grundsätzlich Anspruch auf Zustimmung zur Beseitigung gehabt hätten (LG Itzehoe, Urteil vom 9. März 2017, 10 O 100/16).

Verjährung von Rückschnittansprüchen

Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Anspruch auf das Zurückschneiden überhängender Äste der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt (BGH, Urteil vom 22. Februar 2019, V ZR 136/18).

Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen

Eigentümer müssen ihre Bäume regelmäßig auf Standfestigkeit und Gesundheitszustand prüfen. Dazu gehören Maßnahmen bei erkennbaren Schäden, Krankheiten oder Schädlingsbefall. Typische Gefahrenquellen sind etwa Risse im Stamm, Rotfäule, der Eichenprozessionsspinner oder Borkenkäfer. Instabile oder kranke Bäume müssen gesichert oder gefällt werden. Besteht Natur- oder Baumschutz, ist eine Fällung nur mit behördlicher Genehmigung erlaubt. Verstöße können Bußgelder nach sich ziehen.

Kein Anspruch auf Fällung bei eingehaltenem Grenzabstand

Wenn Bäume die landesrechtlich vorgeschriebenen Abstände zur Grundstücksgrenze einhalten, kann ein Nachbar keine Fällung verlangen – auch nicht wegen Laub, Pollenflug oder anderer natürlicher Einwirkungen. Das hat der Bundesgerichtshof am 20. September 2019 bestätigt (BGH, Urteil vom 20. September 2019, V ZR 218/18).

Schäden durch Wurzeln und Sturm

Verursachen Baumwurzeln Gebäudeschäden oder wachsen in Leitungen ein, ist in der Regel der Eigentümer des betroffenen Baums verantwortlich. Eine private Haftpflichtversicherung kann vor finanziellen Risiken schützen, sofern keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt.

Bei Sturmschäden haften Eigentümer nur, wenn sie ihre Kontrollpflichten verletzt haben. Andernfalls greifen meist Wohngebäudeversicherungen. Schäden gelten ab Windstärke acht als sturmbedingt und sind in der Regel versichert.

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Ein Artikel von
Astrid Schultheis
SCALARA Expertin für Rechnungswesen; Ö.r.b.u.v. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung; Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung

Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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