Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt: Eine bauliche Veränderung liegt auch dann vor, wenn keine bauliche Substanz betroffen ist. Entscheidend ist, ob das äußere Erscheinungsbild des Gemeinschaftseigentums wesentlich verändert wird.
So stellte das Gericht fest, dass eine auffällige Solaranlage an einem Balkon selbst dann eine bauliche Veränderung darstellt, wenn die Bausubstanz unberührt bleibt. Ohne die erforderliche Zustimmung der Eigentümergemeinschaft kann diese den Rückbau verlangen.
Ein Wohnungseigentümer hatte über die gesamte Länge seines hofseitigen Balkons eine Solaranlage mit neun Modulen installiert. Ob die Anlage bereits vor Inkrafttreten der WEG-Reform am 1. Dezember 2020 oder erst danach angebracht wurde, ließ sich nicht feststellen. Ebenso blieb offen, ob die Module direkt an der Balkonbrüstung oder auf einer eigenen Konstruktion montiert waren.
Die Solaranlage war deutlich sichtbar, da sie in Größe und Farbe stark von den übrigen Balkonen abwich. Nachdem Bäume und Sträucher auf der Hofseite zurückgeschnitten worden waren, trat sie noch stärker in Erscheinung. Eine Genehmigung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) lag nicht vor.
Die GdWE kann nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung der Anlage verlangen. Maßgeblich für die Frage, ob altes oder neues Wohnungseigentumsrecht gilt, ist der Zeitpunkt der Fertigstellung der baulichen Veränderung. Unerheblich ist, ob diese zunächst verdeckt war und erst später sichtbar wurde.
Da nicht festgestellt werden konnte, wann die Solaranlage installiert wurde, blieb offen, ob altes oder neues Recht zur Anwendung kommt. Dies spielte im Ergebnis jedoch keine Rolle: Unter beiden Rechtslagen bestand ein Anspruch auf Beseitigung.
Nach § 20 Abs. 1 WEG bedürfen bauliche Veränderungen grundsätzlich eines vorherigen Beschlusses der Eigentümergemeinschaft. Fehlt dieser, ist die Maßnahme rechtswidrig – selbst dann, wenn der Eigentümer einen Anspruch auf Gestattung gehabt hätte.
Der BGH betonte, dass eine bauliche Veränderung nicht zwingend einen Eingriff in die Bausubstanz erfordert. Auch eine dauerhaft wirkende optische Veränderung reicht aus. Somit stellte die Solaranlage – unabhängig von der konkreten Befestigung – eine bauliche Veränderung dar.
Nach der alten Rechtslage (§ 22 Abs. 1 WEG a.F.) war die Zustimmung aller Eigentümer erforderlich, deren Rechte beeinträchtigt wurden. Eine erhebliche optische Veränderung der Fassade stellte einen solchen Nachteil dar. Da die erforderlichen Zustimmungen nicht vorlagen, wäre die Maßnahme auch nach altem Recht unzulässig gewesen.
Seit Oktober 2024 gelten steckerfertige Balkonsolargeräte nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 WEG als privilegierte Maßnahme, auf die Wohnungseigentümer einen Anspruch haben. Im vorliegenden Fall hilft dies dem betroffenen Eigentümer jedoch nicht weiter.
Denn auch privilegierte Maßnahmen setzen einen Beschluss voraus. Da ein solcher hier nicht gefasst wurde, ist die Anlage zu entfernen. Zudem könnte sich der Eigentümer bei Anwendung des alten Rechts nicht auf eine Privilegierung nach neuem Recht berufen.
Ergebnis: Die Solaranlage stellt eine unzulässige bauliche Veränderung dar und muss entfernt werden.
(BGH, Urteil vom 18. Juli 2025 – V ZR 29/24)
Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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