Ausnahme von der Mietpreisbremse auch bei Irrtum über Modernisierungsumfang

Rechtsprechung
BGH-Urteil
25.11.2025
3 Minuten
Inhaltsübersicht

Wenn Wohnungseigentümer ihre Einheit vermieten, kann die Mietpreisbremse erhebliche Auswirkungen auf die zulässige Miethöhe haben. Doch was viele nicht wissen: Bei Modernisierungen gelten Ausnahmen – und der BGH hat jetzt eine vermieterfreundliche Entscheidung getroffen, die auch für WEG-Verwalter bei der Beratung ihrer Eigentümer relevant ist.

 

Die Ausgangslage: Mietpreisbremse und ihre Ausnahmen

In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gilt die Mietpreisbremse: Bei Neuvermietungen darf die Miete grundsätzlich nicht mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Für vermietende Wohnungseigentümer – und damit auch für WEG-Verwalter, die ihre Eigentümer beraten – ist es wichtig zu wissen, dass Modernisierungen eine Ausnahme von dieser Regelung darstellen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 27.11.2024 (Az. VIII ZR 63/23) nun klargestellt, unter welchen Voraussetzungen diese Ausnahme greift – und wie weitreichend die Anforderungen an Vermieter tatsächlich sind.

 

Der entschiedene Fall: Irrtum über Modernisierungsumfang

Sachverhalt

Eine Vermieterin hatte in ihrem Mietvertrag angegeben, dass die Wohnung eine "umfassende Renovierung" erfahren habe. Auf dieser Grundlage vereinbarte sie eine Miete, die deutlich über der nach Mietpreisbremse zulässigen Höhe lag.

Die Mieterin stellte die Miethöhe infrage: Sie argumentierte, dass tatsächlich nur eine einfache Modernisierung durchgeführt worden sei, nicht aber eine umfassende Renovierung im Sinne des Gesetzes. Außerdem bemängelte sie, dass das konkrete Datum der Modernisierungsarbeiten im Mietvertrag nicht genannt worden war. Die Differenz zur aus ihrer Sicht zulässigen Miete belief sich auf rund 700 € monatlich.

Rechtliche Einordnung durch den BGH

Der BGH bestätigte zunächst die Einschätzung der Mieterin, dass keine "umfassende Modernisierung" im rechtlichen Sinne vorlag. Eine solche liegt nur dann vor, wenn der Umfang der Arbeiten eine Gleichstellung mit Neubauten rechtfertigt – eine sehr hohe Hürde, die im vorliegenden Fall nicht erreicht wurde.

Entscheidend aber: Der BGH stellte klar, dass auch eine einfache Modernisierung die Überschreitung der Mietpreisbremse rechtfertigt.

 

Die zentrale Rechtsfrage: Welche Modernisierung erlaubt welche Miete?

Umfassende Modernisierung

Bei einer umfassenden Modernisierung, die einer Neubauqualität entspricht, ist die Mietpreisbremse vollständig außer Kraft gesetzt. Der Vermieter kann die Miete frei mit dem Mieter vereinbaren.

Voraussetzungen:

  • Arbeiten müssen Neubaustandard erreichen
  • Meist: Komplettsanierung inklusive Haustechnik, Bäder, Böden, Fenster etc.
  • Sehr hohe Investitionen erforderlich

Einfache Modernisierung

Auch bei einer einfachen Modernisierung darf die nach Mietpreisbremse zulässige Miethöhe überschritten werden – allerdings in begrenztem Umfang gemäß § 556e Abs. 2 BGB.

Zulässige Miethöhe:

  • Ortsübliche Vergleichsmiete + 10 % (Mietpreisbremse)
  • Plus: 8 % der Modernisierungskosten (jährlich)

Beispielrechnung:

  • Ortsübliche Vergleichsmiete: 10 €/m²
  • Zulässig nach Mietpreisbremse: 11 €/m² (+ 10 %)
  • Modernisierungskosten: 30.000 € für 80 m² Wohnung = 375 €/m²
  • Modernisierungsumlage: 8 % von 375 € = 30 € jährlich = 2,50 € monatlich/m²
  • Zulässige Gesamtmiete: 13,50 €/m²

 

Informationspflichten des Vermieters: Was muss mitgeteilt werden?

Der BGH hat die Anforderungen an die Informationspflicht des Vermieters präzisiert – mit überraschend vermieterfreundlichen Ergebnissen:

Mindestangaben vor Vertragsschluss

Der Vermieter muss dem Mieter vor Beginn des Mietverhältnisses lediglich mitteilen, dass in den letzten drei Jahren modernisiert wurde.

Nicht erforderlich sind:

  • Genaues Datum der Modernisierung
  • Detaillierte Beschreibung der Maßnahmen
  • Höhe der Modernisierungskosten
  • Unterscheidung zwischen umfassender und einfacher Modernisierung

Irrtum über Modernisierungsumfang ist unschädlich

Der BGH stellte ausdrücklich fest: Wenn ein Vermieter irrtümlich von einer "umfassenden Modernisierung" spricht, obwohl nur eine einfache Modernisierung vorlag, ist dies unschädlich. Entscheidend ist allein, dass überhaupt auf eine Modernisierung hingewiesen wurde.

Auskunftsanspruch des Mieters

Will der Mieter nähere Details erfahren, kann er vom Vermieter gemäß § 556g Abs. 3 BGB Auskunft verlangen über:

  • Art und Umfang der Modernisierung
  • Zeitpunkt der Durchführung
  • Höhe der Modernisierungskosten
  • Berechnung der Mieterhöhung

Diese Auskunftspflicht besteht aber erst auf Verlangen des Mieters – nicht automatisch.

 

Relevanz für die WEG-Verwaltung

Beratung vermietender Eigentümer

Als WEG-Verwalter werden Sie regelmäßig mit der Frage konfrontiert, wie Modernisierungsmaßnahmen bei vermieteten Einheiten mietrechtlich zu behandeln sind. Das BGH-Urteil bietet hier wichtige Orientierung für Ihre Beratungstätigkeit:

Praxistipp für Verwalter: Informieren Sie Ihre vermietenden Eigentümer nach Modernisierungsbeschlüssen über:

  • Die Möglichkeit, Modernisierungskosten auf Mieter umzulegen
  • Die Ausnahme von der Mietpreisbremse
  • Die Dokumentationspflichten

Dokumentation von Modernisierungsmaßnahmen

Für die WEG-Verwaltung bedeutet dies: Eine saubere Dokumentation von Modernisierungsmaßnahmen ist nicht nur für die Jahresabrechnung, sondern auch für vermietende Eigentümer essenziell.

Checkliste Dokumentation:

  • Beschlussfassung mit Datum
  • Art und Umfang der Maßnahmen
  • Gesamtkosten und Aufteilung auf Einheiten
  • Zeitpunkt der Durchführung
  • Einzelabrechnungen pro Einheit

Abgrenzung Instandhaltung vs. Modernisierung

Für die mietrechtliche Relevanz ist entscheidend, ob es sich um Instandhaltung oder Modernisierung handelt:

Instandhaltung:

  • Erhaltung des bestehenden Zustands
  • Reparaturen, Austausch verschlissener Teile
  • Keine Mieterhöhung möglich

Modernisierung (§ 555b BGB):

  • Nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts
  • Verbesserung der Wohnverhältnisse
  • Energieeinsparung oder Wassereinsparung
  • Mieterhöhung um 8 % der Kosten möglich

Tipps & Handlungsempfehlungen

Für WEG-Verwalter

  1. Beschlussfassung dokumentieren: Halten Sie in Beschlussprotokollen fest, ob es sich um Instandhaltung oder Modernisierung handelt. Dies erleichtert vermietenden Eigentümern später die Argumentation gegenüber Mietern.
  1. Eigentümer informieren: Weisen Sie nach Modernisierungsbeschlüssen aktiv darauf hin, dass vermietende Eigentümer die Mietpreisbremse überschreiten dürfen.
  1. Kostennachweise bereitstellen: Stellen Sie Eigentümern auf Anfrage detaillierte Kostennachweise zur Verfügung, die diese ggf. an ihre Mieter weitergeben können.
  1. Unterscheidung treffen: Klären Sie bereits bei Beschlussfassung, ob geplante Maßnahmen als Modernisierung oder Instandhaltung zu qualifizieren sind.

Für vermietende Eigentümer

  1. Modernisierung im Mietvertrag erwähnen: Nehmen Sie bei Neuvermietung einen Hinweis auf die Modernisierung in den Mietvertrag auf – auch wenn Sie den genauen Umfang falsch einschätzen.
  1. Dokumentation aufbewahren: Bewahren Sie Beschlussprotokolle, Abrechnungen und Belege zu Modernisierungsmaßnahmen auf.
  1. Miete korrekt berechnen: Nutzen Sie die Formel: Ortsübliche Vergleichsmiete + 10 % + 8 % der auf Ihre Einheit entfallenden Modernisierungskosten (jährlich, umgerechnet auf Monat).
  1. Auskunftsbereitschaft signalisieren: Weisen Sie im Mietvertrag auf den Auskunftsanspruch gemäß § 556g BGB hin – dies schafft Transparenz und Vertrauen.

Musterdokumente

Musterformulierung für Mietvertrag:

"Die Wohneinheit wurde in den letzten drei Jahren modernisiert. Der Vermieter macht von der Ausnahme gemäß § 556e Abs. 2 BGB Gebrauch. Auf Verlangen erteilt der Vermieter Auskunft über Art, Umfang und Kosten der Modernisierung gemäß § 556g Abs. 3 BGB."

 

Fazit

Das BGH-Urteil vom 27.11.2024 bringt wichtige Klarstellungen für vermietende Wohnungseigentümer und deren Verwalter:

Kernaussagen:

  • Auch einfache Modernisierungen rechtfertigen die Überschreitung der Mietpreisbremse
  • Ein Irrtum über den Umfang der Modernisierung (einfach vs. umfassend) ist unschädlich
  • Vermieter müssen vor Vertragsschluss nur mitteilen, dass modernisiert wurde – Details können auf Anfrage nachgereicht werden
  • Das Datum der Modernisierung muss nicht vorab genannt werden

Für die Praxis bedeutet dies:

  • Vermietende Eigentümer sollten bei Neuvermietung stets auf Modernisierungen hinweisen
  • WEG-Verwalter sollten Modernisierungsmaßnahmen sauber dokumentieren und Eigentümer aktiv informieren
  • Die Berechnung der zulässigen Miete muss korrekt erfolgen: Vergleichsmiete + 10 % + 8 % der Modernisierungskosten

Das Urteil stärkt die Position vermietender Eigentümer und vereinfacht die Handhabung in der Praxis erheblich. Dennoch bleibt eine sorgfältige Dokumentation und Berechnung unerlässlich, um rechtssicher zu agieren.

 

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Ein Artikel von
Astrid Schultheis
SCALARA Expertin für Rechnungswesen; Ö.r.b.u.v. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung; Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung

Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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