
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 26. September 2025 (Az.: V ZR 206/24) eine zentrale Frage für WEG-Verwalter geklärt, die in der Praxis regelmäßig zu Streitigkeiten führt: Wer ist zur Erstellung der Jahresabrechnung verpflichtet, wenn ein Verwalter zum Jahresende aus dem Amt ausscheidet? Die Antwort des höchsten deutschen Zivilgerichts ist eindeutig – und hat weitreichende Konsequenzen für die tägliche Verwaltungspraxis.
Das Urteil schafft endlich Rechtssicherheit in einer Situation, die seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) am 1. Dezember 2020 immer wieder für Unklarheiten sorgte. Für WEG-Verwalter, Buchhalter und Immobilienprofis ist diese Entscheidung von hoher praktischer Relevanz.
Die Beklagte war bis zum 31. Dezember 2022 als Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft tätig. In der Eigentümerversammlung vom 8. Dezember 2022 wurde bereits eine neue Verwalterin gewählt, die ihr Amt ab dem 1. Januar 2023 antrat. Die WEG forderte die bisherige Verwalterin auf, die Jahresabrechnung für das Jahr 2022 zu erstellen. Diese weigerte sich mit der Begründung, ihr Amt sei zum Zeitpunkt der Entstehung der Abrechnungspflicht bereits beendet gewesen.
Sowohl das Amtsgericht Bielefeld als auch das Landgericht Dortmund gaben der beklagten Verwalterin Recht und wiesen die Klage ab. Die WEG legte Revision beim Bundesgerichtshof ein, der nun die Entscheidung der Vorinstanzen bestätigte.
Der BGH stellt zunächst klar, dass nach dem WEMoG die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst zur Erstellung von Jahresabrechnungen verpflichtet ist. § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG nennt zwar den Verwalter, jedoch lediglich als ausführendes Organ der Gemeinschaft. Dies ist eine fundamentale Änderung gegenüber der Rechtslage vor dem WEMoG, als die Abrechnung noch eine persönliche Pflicht des Verwalters war.
Praktische Bedeutung: Der bestellte Verwalter muss auch ausstehende Abrechnungen für Vorjahre erstellen, da die Pflicht der WEG sich zweifelsfrei auch auf zurückliegende Jahre erstreckt.
Dies ist die zentrale Aussage des Urteils: Die Pflicht der WEG zur Erstellung der Jahresabrechnung entsteht am 1. Januar des folgenden Kalenderjahres – nicht bereits mit Ablauf des 31. Dezember.
Der BGH begründet dies mit dem klaren Wortlaut von § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG: Die Wohnungseigentümer beschließen „nach Ablauf" – nicht „mit Ablauf" – des Kalenderjahres über die Jahresabrechnung.
Konsequenz: Ein Verwalter, dessen Amtszeit zum 31. Dezember endet, ist nicht zur Erstellung der Jahresabrechnung für dieses Jahr verpflichtet – weder aus seiner Organstellung noch aus dem Verwaltervertrag (sofern nichts anderes vereinbart wurde).
Der BGH lässt ausdrücklich zu, dass im Verwaltervertrag abweichende Regelungen getroffen werden können. Eine solche Vereinbarung muss jedoch ausdrücklich erfolgen. Fehlt es an einer klaren vertraglichen Regelung, gilt die gesetzliche Systematik: Der neue Verwalter erstellt die Abrechnung.
Auch wenn der ausgeschiedene Verwalter nicht zur Erstellung der formellen Jahresabrechnung verpflichtet ist, trifft ihn dennoch eine wichtige Rechnungslegungspflicht nach §§ 675, 666, 259 BGB. Er muss dem neuen Verwalter alle Einnahmen und Ausgaben des Abrechnungszeitraums vollständig und richtig mitteilen – gegebenenfalls durch eidesstattliche Versicherung.
Das WEMoG hat 2020 das Verhältnis zwischen Verwalter und WEG grundlegend neu ausgestaltet. Während bis zum 30. November 2020 die Erstellung der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG aF eine persönliche Pflicht des Verwalters war, ist sie heute eine Pflicht der Gemeinschaft, die lediglich durch den Verwalter als Organ ausgeführt wird.
Wichtig für die Praxis: Einzelne Wohnungseigentümer können ihren Anspruch auf Erstellung der Jahresabrechnung nicht mehr gegen den Verwalter persönlich, sondern nur noch gegen die WEG richten (BGH, Urteil vom 19. April 2024 - V ZR 167/23).
Der Verwalter handelt bei der Erstellung der Jahresabrechnung nicht mehr als Vertreter des Verbands, sondern als dessen Organ. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf Zuständigkeiten und Haftungsfragen. Die GdWE ist nach § 18 Abs. 1 WEG ausschließlich für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zuständig.
Bei Verwalterwechseln zum 31. Dezember gilt:
Die Entscheidung des BGH löst zwar die Rechtsfrage, wirft aber praktische Herausforderungen auf:
Informationsdefizite: Der neue Verwalter kennt die wirtschaftlichen Vorgänge des Vorjahres nicht im Detail und ist auf die Zuarbeit des Vorgängers angewiesen.
Haftungsrisiken: Fehler in der Abrechnung gehen zulasten des neuen Verwalters, auch wenn sie auf unvollständigen oder fehlerhaften Informationen des Vorgängers beruhen.
Zeitverzögerungen: Die notwendige Einarbeitung und Informationsbeschaffung kann zu Verzögerungen bei der Abrechnungserstellung führen.
Sofortmaßnahme: Prüfen Sie Verwalterverträge bei der Verhandlung auf Regelungen zur Jahresabrechnung bei vorzeitigem Ausscheiden. Ergänzen Sie – wenn gewünscht – eine ausdrückliche Klausel, die bei Verwalterwechsel zum Jahresende eine Abrechnungspflicht des ausscheidenden Verwalters vorsieht oder eben nicht.
Musterformulierung: „Der Verwalter verpflichtet sich, auch im Falle seines Ausscheidens zum 31. Dezember eines Kalenderjahres die Jahresabrechnung für dieses Kalenderjahr zu erstellen, sofern die GdWE dies innerhalb von [X] Wochen nach Beendigung des Verwalteramts verlangt."
Entwickeln Sie einen standardisierten Übergabe-Checkliste für Verwalterwechsel, die folgende Punkte umfasst:
Auch wenn der ausgeschiedene Verwalter die Jahresabrechnung nicht erstellen muss, sollten Sie die Rechnungslegungspflicht nach §§ 675, 666, 259 BGB konsequent einfordern:
Strategische Überlegung: Wenn ein Verwalterwechsel absehbar ist, sollten Sie bei der Terminierung der Eigentümerversammlung berücksichtigen:
Als neuer Verwalter sollten Sie sich rechtlich absichern:
Das aktuelle Urteil reiht sich in eine Serie wichtiger BGH-Entscheidungen zum WEMoG ein:
Trotz der Klarstellung bleiben einige Fragen:
Mitwirkungspflichten des ausgeschiedenen Verwalters: Wie weit gehen diese konkret? Der BGH spricht von Rechnungslegung nach §§ 675, 666, 259 BGB, aber die praktische Umsetzung kann im Einzelfall streitig sein.
Haftung bei fehlerhaften Informationen: Haftet der ausgeschiedene Verwalter, wenn er unvollständige oder fehlerhafte Informationen übergibt und dies zu Fehlern in der Jahresabrechnung führt?
Vergütungsansprüche: Steht dem ausgeschiedenen Verwalter eine Vergütung für die Rechnungslegung zu? Dies dürfte vom Einzelfall und vom Verwaltervertrag abhängen.
Das BGH-Urteil bringt endlich Rechtssicherheit in einer häufig streitigen Konstellation. Gleichzeitig unterstreicht es die Bedeutung von:
Die vom BGH geschaffene Klarheit sollte Anlass sein, Verwalterwechsel grundsätzlich neu zu denken. Durch den Einsatz moderner, cloudbasierter Verwaltungssoftware lassen sich die praktischen Herausforderungen, die das Urteil offenlegt, weitgehend bewältigen. Die Zukunft der WEG-Verwaltung liegt in digitalen, systemgestützten Prozessen, die unabhängig von Personalwechseln funktionieren.
Handlungsappell: Nutzen Sie das Urteil als Anlass, Ihre Verwalterverträge zu überprüfen, Übergabeprozesse zu standardisieren und die Digitalisierung Ihrer Verwaltung voranzutreiben. Wer heute in moderne Systeme investiert, ist für künftige Verwalterwechsel optimal aufgestellt.
Haben Sie Fragen zum BGH-Urteil oder zu digitalen Lösungen für Ihre WEG-Verwaltung?
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Shari Heep ist Juristin mit Fokus auf IT- Recht und Gründerin & CEO von SCALARA. Sie hat schon seit ihrem Abitur in der familiären Hausverwaltung mitgearbeitet und dort vor allem die digitale Transformation vorangetrieben. Durch ihre praktische Erfahrung aus der Immobilien- und Verwaltungsbranche kennt sie die Herausforderungen der Branche sehr genau.
Mit der Gründung von SCALARA hat Shari ihre Leidenschaft für alles Digitale mit ihren Verwalterwurzeln verbunden.