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Mietverwaltung vs. WEG-Verwaltung: Wo sollten Quereinsteiger starten?

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Fachwissen
12.11.2025
6 Minuten
Inhaltsübersicht

Die Immobilienverwaltungsbranche erlebt einen beispiellosen Boom. Mit über 24 Millionen Wohnungen in Deutschland, davon etwa 10 Millionen Eigentumswohnungen, bietet der Markt enormes Wachstumspotenzial. Doch für Quereinsteiger und Gründer stellt sich die entscheidende Frage: Mit welcher Verwaltungsform sollte man starten? Die Wahl zwischen Mietverwaltung und WEG-Verwaltung prägt nicht nur das Geschäftsmodell, sondern determiniert auch Haftungsrisiken, Ertragspotenziale und Skalierungsmöglichkeiten. Dieser Beitrag zeigt, welche strategischen Überlegungen für den erfolgreichen Aufbau einer modernen Hausverwaltung entscheidend sind.

Die fundamentalen Unterschiede: Mehr als nur Verwaltungsformen

Rechtliche Grundlagen und Komplexität

Die Mietverwaltung basiert auf einem einfachen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Verwalter und Eigentümer. Der Verwaltungsauftrag ist privatrechtlich ausgestaltet, die Haftung überschaubar und die rechtlichen Anforderungen vergleichsweise niedrig. Ein Sachkundenachweis ist nicht erforderlich, der Markteintritt entsprechend niedrigschwellig.

Die WEG-Verwaltung hingegen operiert in einem komplexen rechtlichen Rahmenwerk. Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) definiert präzise Pflichten, Haftungsrisiken und Verantwortlichkeiten. Seit der WEG-Reform 2020 ist die Bestellung als zertifizierter Verwalter nach § 26a WEG zwar nicht verpflichtend, kann aber von den Eigentümern verlangt werden und ist damit faktisch zwingend. Eine Hürde, die gleichzeitig Qualitätsstandard und Markteintrittsbarriere darstellt.

Kundenbindung und Stakeholder-Management

Ein oft unterschätzter Aspekt ist die Stabilität der Kundenbeziehung. Mietverwalterverträge sind meist jederzeit kündbar, was zu hoher Fluktuation führen kann. Allerdings arbeitet man hier mit einzelnen Eigentümern zusammen, die oft hohe Erwartungen an Service, Wertsteigerung und Optimierung ihrer Immobilie haben – aber als Einzelentscheider schnell und direkt erreichbar sind.

WEG-Verwalterverträge hingegen laufen typischerweise über drei bis fünf Jahre und bieten damit Planungssicherheit und stabilere Cashflows. Die Herausforderung liegt hier im Multi-Stakeholder-Management: Während in der Mietverwaltung primär mit dem Eigentümer und den Mietern interagiert wird, müssen WEG-Verwalter eine Vielzahl von Eigentümern mit unterschiedlichen Interessen managen. Der Verwaltungsbeirat kann dabei Fluch oder Segen sein – bestenfalls ein engagierter Partner, der unterstützt und vermittelt, schlimmstenfalls eine zusätzliche Hürde mit eigener Agenda und Machtkämpfen. Positiv: In der WEG-Verwaltung entfällt das oft aufwändige und zeitfressende Mietermanagement komplett.

Die Vergütungsrealität: Zahlen, die überraschen

Aktuelle Marktdaten zur Verwaltungsvergütung

Nach der aktuellen CRES-Entgeltstudie 2024/2025 sowie Erhebungen des VDIV zeigen sich deutliche Unterschiede in der Vergütungsstruktur¹:

Mietverwaltung:

  • Durchschnittliche Vergütung: 25-35 € pro Einheit/Monat
  • Kleine Objekte (≤10 Einheiten): bis zu 34,50 € pro Einheit/Monat
  • Steigerung gegenüber 2023: durchschnittlich 5,50 € pro Einheit³
  • Alternative Vergütung: 4-7 % der Bruttomiete
  • Zusatzvergütungen: Neuvermietungsprovision (1-2 Monatsmieten)

WEG-Verwaltung:

  • Durchschnittliche Vergütung: 20-35 € pro Einheit/Monat
  • Regionale Spitzenreiter: München und Frankfurt mit bis zu 45 € pro Einheit
  • Steigerung gegenüber 2023: durchschnittlich 4 € pro Einheit
  • Zusatzvergütungen:
    • Sondervergütungen für Sanierungsprojekte (2-5% der Bausumme)
    • Eigentümerversammlungen: 500-1.500 € pro außerordentliche Versammlung

Die Ertragsdifferenz ist beachtlich: Entgegen der landläufigen Meinung liegt die Mietverwaltung bei der Grundvergütung oft über der WEG-Verwaltung.

Preisdynamik und Markttrends

Laut VDIV-Branchenbarometer 2024 planten über 82% aller Hausverwaltungen Preiserhöhungen – bei größeren Unternehmen mit mehr als 6.000 Einheiten sogar 100%⁶. Die Gründe sind vielfältig:

  • Gestiegene Personalkosten durch Fachkräftemangel
  • Erhöhte Compliance-Anforderungen
  • Digitalisierungsinvestitionen
  • Inflationsausgleich

Die Herausforderungen: Komplexität vs. Aufwand

WEG-Verwaltung: Rechtliche Fallstricke und Gruppendynamik

Die WEG-Verwaltung ist ein rechtliches Minenfeld. Die Beschlussanfechtungsquote liegt bei etwa 15% aller gefassten Beschlüsse. Formfehler in Eigentümerversammlungen, fehlerhafte Jahresabrechnungen oder mangelhafte Beschluss-Sammlung können zu erheblichen Haftungsrisiken führen.

Die größte Herausforderung liegt jedoch im Erwartungsmanagement der verschiedenen Eigentümer: Während einige primär niedrige Kosten wünschen, fordern andere umfangreiche Modernisierungen. Der Verwalter muss hier als Moderator fungieren und tragfähige Kompromisse herbeiführen – eine Kompetenz, die weit über reine Verwaltungstätigkeiten hinausgeht.

Mietverwaltung: Serviceerwartungen und operativer Aufwand

Die vermeintlich simple Mietverwaltung hat ihre eigenen Tücken. Eigentümer erwarten heute weit mehr als reine Mieteinziehung – sie fordern aktives Asset Management mit Fokus auf Wertsteigerung, Renditeoptimierung und vorausschauende Instandhaltung. Der operative Aufwand ist erheblich:

  • Mieterkommunikation: Durchschnittlich 3-5 Kontakte pro Einheit/Monat
  • Mieterwechsel: Fluktuation von durchschnittlich 11% jährlich
  • Nebenkostenabrechnungen: Individuelle Erstellung für jede Einheit
  • Instandhaltungsmanagement: Koordination von durchschnittlich 2-3 Handwerkereinsätzen pro Einheit/Jahr
  • 24/7-Erreichbarkeit: Zunehmende Erwartung an Notfallmanagement

Fachkräfte: Der entscheidende Engpass

Zugänglichkeit und Qualifikationsanforderungen

Der Fachkräftemangel trifft beide Verwaltungsformen, jedoch unterschiedlich stark.

Mietverwaltung:

  • Einstiegshürde niedrig: Keine Zertifizierungspflicht ermöglicht breiteren Bewerberpool
  • Einarbeitung schneller: Überschaubare rechtliche Komplexität
  • Gehaltsniveau: Mietverwalter verdienen im Median 39.000 € brutto/Jahr
  • Quereinsteiger-freundlich: Branchenfremde mit Kundenservice-Erfahrung können schnell produktiv werden

WEG-Verwaltung:

  • Qualifikation erforderlich: Zertifizierungspflicht schränkt Bewerberpool ein
  • Einarbeitung komplex: Umfangreiche Rechtskenntnisse notwendig
  • Gehaltsniveau: WEG-Verwalter (mit ETV) verdienen im Median 43.900 € brutto/Jahr
  • Spezialistenbedarf: Fachlich fundierre Vorbildung oder langjährige Branchenerfahrung oft Voraussetzung

Die Rekrutierung für die Mietverwaltung gestaltet sich damit deutlich einfacher. Während WEG-Verwalter mindestens 20 Stunden Weiterbildung in drei Jahren nachweisen müssen, können Mietverwalter sofort starten. Dies macht die Mietverwaltung besonders für wachstumsorientierte Startups attraktiv.

Spezialisierung als Erfolgsstrategie

Der Fokus-Ansatz

Erfolgreiche Verwaltungen der neuen Generation spezialisieren sich zunehmend. Die Gründe sind überzeugend:

Spezialisierung auf WEG-Verwaltung:

  • Stabilere Erträge durch längere Vertragslaufzeiten
  • Höhere Sondervergütungen bei Großprojekten
  • Klareres Kompetenzprofil gegenüber Wettbewerbern
  • Keine Mieterbetreuung notwendig
  • Bessere Skalierbarkeit durch standardisierte Prozesse

Spezialisierung auf Mietverwaltung:

  • Höhere Grundvergütung pro Einheit
  • Schnellerer Markteintritt ohne Zertifizierung
  • Einfachere Mitarbeitergewinnung
  • Direktere Entscheidungswege mit einzelnen Eigentümern
  • Zusatzerträge durch Vermietungsprovisionen

Digitalisierung als Game-Changer

Die Wahl der Verwaltungsform determiniert auch die Digitalisierungsstrategie.

WEG-Verwaltung profitiert überproportional von:

  • Digitale Eigentümerversammlungen sparen bis zu 70% der Organisationskosten
  • Automatisierte Beschluss-Sammlung reduziert Fehlerquoten um 90%
  • KI-gestützte Jahresabrechnungen verkürzen Erstellungszeiten von 8 auf 2 Stunden
  • Digitale Verwalterbeiräte via Kollaborationsplattformen

Mietverwaltung hingegen profitiert vor allem von:

  • Automatisierten Mahnwesen mit Dunning-Management
  • Digitalen Übergabeprotokollen via App
  • Predictive Maintenance zur Kostensenkung
  • Chatbots für Mieteranfragen (Entlastung um bis zu 40%)

Der Hybrid-Ansatz: Best of Both Worlds?

Einige innovative Verwaltungen starten mit einem 60/40-Modell: 60 % Mietverwaltung für höhere Grundvergütung und schnellen Cashflow, 40 % WEG-Verwaltung für Stabilität und Reputation. Nach 24 Monaten erfolgt die strategische Neubewertung basierend auf:

  • Profitabilität pro Verwaltungsform
  • Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter
  • Marktakzeptanz und Kundenfeedback
  • Skalierungspotenzial

Konkrete Handlungsempfehlungen

Für Mietverwaltungs-Starter:

  1. Preispositionierung: Nutzen Sie die höhere Zahlungsbereitschaft – kalkulieren Sie mit 28-32 € pro Einheit oder mehr, falls Sie sich im Premium-Segment positionieren wollen
  2. Nischenstrategie: Fokus auf unterversorgte Segmente (Mikroapartments, möbliertes Wohnen, Seniorenimmobilien)
  3. Service-Excellence: Erfüllen Sie die hohen Erwartungen durch proaktives Asset Management
  4. Mitarbeitergewinnung: Nutzen Sie den Vorteil der niedrigen Einstiegshürden für schnelles Wachstum
  5. Skalierungsstrategie: Ab 500 Einheiten sukzessive WEG-Kompetenz aufbauen

Für WEG-Verwaltungs-Einsteiger:

  1. Team-Qualifikation: Investieren Sie früh in zertifizierte & qualifizierte Mitarbeiter
  2. Beirats-Management: Entwickeln Sie Strategien für konstruktive Zusammenarbeit
  3. Spezialisierung: WEGs mit 8-20 Einheiten sind unterversorgt und zahlen Premiumpreise; alternativ Wohnanlagen mit hohem Sanierungsbedarf oder Großwohnanlagen
  4. Sondervergütungen optimieren: Klare Leistungskataloge für Zusatzleistungen erstellen

Die Zukunftsperspektive: Konsolidierung und Professionalisierung

Der Verwaltungsmarkt steht vor einer Konsolidierungswelle. Von aktuell etwa 25.000 Verwaltungsunternehmen werden Experten zufolge bis 2030 nur noch 15.000 überleben. Die Gewinner werden jene sein, die:

  • Klare Positionierung mit eindeutigem Leistungsprofil etablieren
  • Mitarbeitergewinnung durch attraktive Einstiegsmöglichkeiten sicherstellen
  • Faire Vergütung durchsetzen statt Preisdumping betreiben
  • Digitalisierung als Kernkompetenz begreifen
  • Stakeholder-Management professionalisieren

Fazit

Die Entscheidung zwischen Mietverwaltung und WEG-Verwaltung ist eine strategische Weichenstellung, die sorgfältig abgewogen werden muss. Die aktuellen Marktdaten zeigen: Die Mietverwaltung bietet mit durchschnittlich 25-35 € pro Einheit eine höhere Grundvergütung und deutlich einfachere Mitarbeitergewinnung. Dies macht sie besonders für Quereinsteiger attraktiv, die schnell wachsen und profitabel werden müssen.

Die WEG-Verwaltung punktet hingegen mit längeren Vertragslaufzeiten und dem Wegfall des Mietermanagements – erfordert aber höhere Qualifikationen und komplexeres Stakeholder-Management. Der Verwaltungsbeirat kann dabei sowohl Unterstützer als auch Herausforderung sein.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht in der Verwaltungsform per se, sondern in der konsequenten Umsetzung einer durchdachten Strategie. Wer die Personalengpässe durch kluge Positionierung umgeht, faire Preise durchsetzt und die spezifischen Herausforderungen der gewählten Verwaltungsform meistert, wird zu den Gewinnern der Branchentransformation gehören.

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Ein Artikel von
Shari Heep
Geschäftsführende Gründerin & CEO

Shari Heep ist Juristin mit Fokus auf IT- Recht und Gründerin & CEO von SCALARA. Sie hat schon seit ihrem Abitur in der familiären Hausverwaltung mitgearbeitet und dort vor allem die digitale Transformation vorangetrieben. Durch ihre praktische Erfahrung aus der Immobilien- und Verwaltungsbranche kennt sie die Herausforderungen der Branche sehr genau.
Mit der Gründung von SCALARA hat Shari ihre Leidenschaft für alles Digitale mit ihren Verwalterwurzeln verbunden.

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