Die Jahresabrechnung gehört zu den zentralen Pflichten jeder Wohnungseigentumsverwaltung. Bevor die Eigentümergemeinschaft über Nachschüsse und Guthaben beschließt, prüft der Verwaltungsbeirat die Abrechnung und spricht seine Empfehlung aus. Doch wie gründlich muss diese Prüfung sein? Können sich Eigentümer darauf verlassen, dass eine vom Beirat geprüfte Abrechnung wirklich fehlerfrei ist?
Mit dieser praxisrelevanten Frage hat sich das Amtsgericht München in einer zwar bereits 2023 ergangenen, aber nach wie vor hochaktuellen Entscheidung befasst (AG München, Urteil v. 31.08.2023, Az. 1293 C 11654/22). Das Urteil bringt Klarheit über den tatsächlichen Umfang der Prüfpflichten des Verwaltungsbeirats und hat weitreichende Konsequenzen für die tägliche WEG-Praxis.
Im entschiedenen Fall ging es um Beschlüsse einer Eigentümergemeinschaft zur Genehmigung der Nachschüsse für die Kalenderjahre 2019 bis 2021 sowie um die Entlastung des Verwalters. Ein Wohnungseigentümer vertrat die Auffassung, der Verwalter habe die Abrechnungen nicht ordnungsgemäß erstellt. Seine Kritikpunkte im Einzelnen:
Der Eigentümer war der Ansicht, diese Mängel hätten im Rahmen der Belegprüfung durch den Verwaltungsbeirat auffallen müssen. Er erhob daher Klage gegen den Genehmigungsbeschluss und die Verwalterentlastung.
Das Amtsgericht München wies die Anfechtung des Genehmigungsbeschlusses ab und bestätigte die Ordnungsmäßigkeit der Beiratsprüfung. Lediglich hinsichtlich der Verwalterentlastung hatte die Klage Erfolg. Die Begründung des Gerichts ist für die WEG-Praxis von erheblicher Bedeutung.
Das Gericht stellte klar, dass der Verwaltungsbeirat gemäß § 29 Abs. 2 WEG (vormals § 26 Abs. 2 WEG a.F.) lediglich eine unterstützende Funktion wahrnimmt. Diese gesetzliche Aufgabe umfasst:
Prüfung der rechnerischen Richtigkeit:
Keine umfassende Rechtsprüfung: Der Verwaltungsbeirat ist hingegen nicht verpflichtet, die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Nichtigkeit von Kostentragungsbeschlüssen zu verfolgen oder anzuwenden. Eine solche Anforderung würde den aus Wohnungseigentümern bestehenden Beirat überfordern, der seine Tätigkeit ehrenamtlich und ohne juristische Fachkenntnisse ausübt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entscheidung: Das Gericht sah es als nicht verpflichtend an, dass die Prüfung der Jahresabrechnung durch den gesamten Verwaltungsbeirat erfolgt. Die Belegprüfung kann durchaus auch durch einzelne Beiratsmitglieder vorgenommen werden. Dies entspricht der praktischen Realität in vielen Wohnungseigentumsgemeinschaften und trägt dem ehrenamtlichen Charakter der Beiratsarbeit Rechnung.
Die Entscheidung des Amtsgerichts München hat weitreichende Auswirkungen auf die tägliche Praxis in der WEG-Verwaltung:
Realistische Erwartungen kommunizieren: Verwalter sollten bei der Einberufung zur Eigentümerversammlung und in der Tagesordnung klar kommunizieren, dass die Beiratsprüfung sich auf die rechnerische Richtigkeit beschränkt. Dies verhindert unrealistische Erwartungen bei den Eigentümern.
Dokumentation der Prüfung: Auch wenn nicht alle Beiratsmitglieder an der Prüfung teilnehmen müssen, sollte dokumentiert werden, wer die Prüfung durchgeführt hat und zu welchem Ergebnis sie gekommen ist.
Qualität der Abrechnung sicherstellen: Die Entscheidung entbindet den Verwalter nicht von seiner Pflicht, eine ordnungsgemäße, rechtlich korrekte Jahresabrechnung zu erstellen. Die Beiratsprüfung ersetzt nicht die sorgfältige Erstellung der Abrechnung.
Eigene Prüfverantwortung: Eigentümer können sich nicht darauf verlassen, dass eine vom Beirat geprüfte Abrechnung auch rechtlich einwandfrei ist. Wer die Abrechnung eingehend prüfen lassen möchte, muss dies selbst tun oder einen Fachmann beauftragen.
Fachliche Unterstützung einholen: Bei komplexen Abrechnungen oder Zweifeln an der Richtigkeit empfiehlt es sich, einen Sachverständigen für WEG-Verwaltung oder einen auf WEG-Recht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen.
Fristen beachten: Die Anfechtungsfrist für Beschlüsse beträgt gemäß § 45 WEG einen Monat ab Beschlussfassung. Eigentümer sollten die Abrechnung zeitnah prüfen.
Fokus auf rechnerische Kontrolle: Beiratsmitglieder können sich auf die Überprüfung der rechnerischen Richtigkeit konzentrieren und müssen keine umfassende Rechtsprüfung vornehmen.
Arbeitsteilung möglich: Die Prüfung kann unter den Beiratsmitgliedern aufgeteilt werden, was die ehrenamtliche Tätigkeit erleichtert.
Haftungsbegrenzung: Die Entscheidung begrenzt auch das Haftungsrisiko für Beiratsmitglieder, da keine überzogenen Anforderungen an die Prüftiefe gestellt werden.
Mit der WEG-Reform 2020 wurde der Verwaltungsbeirat in § 29 WEG neu geregelt. Die Vorschrift sieht vor:
§ 29 Abs. 2 WEG: Der Verwaltungsbeirat unterstützt den Verwalter und vermittelt zwischen ihm und den Wohnungseigentümern. Er kann insbesondere
Die Formulierung "kann prüfen" macht deutlich, dass es sich um eine fakultative Aufgabe handelt. Die Prüfung ist keine Rechtsprüfung im Sinne einer anwaltlichen oder sachverständigen Begutachtung, sondern eine Plausibilitäts- und Belegkontrolle.
In bestimmten Situationen reicht die Beiratsprüfung erkennbar nicht aus:
Komplexe Abrechnungsfragen:
Konfliktfälle:
Verwalterbestellung oder -wechsel:
In diesen Fällen sollte die Eigentümergemeinschaft erwägen, einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für WEG-Verwaltung mit der Prüfung zu beauftragen. Die Kosten hierfür sind als Verwaltungskosten umlagefähig, wenn der Beschluss ordnungsgemäß gefasst wurde.
Vor der Prüfung:
Während der Prüfung:
Nach der Prüfung:
Transparente Kommunikation: Informieren Sie die Eigentümer bereits mit der Einladung zur Eigentümerversammlung über den Umfang der Beiratsprüfung. Ein entsprechender Hinweis kann Missverständnisse vermeiden.
Qualitätssicherung: Nutzen Sie moderne Verwaltungssoftware wie die SCALARA Plattform, die automatisierte Plausibilitätsprüfungen und eine strukturierte Abrechnungserstellung ermöglicht. Das Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrsmodul unterstützt Sie dabei, Fehlerquellen zu minimieren.
Beiratsarbeit unterstützen: Stellen Sie dem Beirat alle erforderlichen Unterlagen rechtzeitig und übersichtlich zur Verfügung. Eine gute Vorbereitung erleichtert die Prüfung erheblich.
Digitale Lösungen nutzen: Digitale Belegarchivierung und elektronische Abrechnungsfreigaben können den Prüfprozess effizienter gestalten und die Nachvollziehbarkeit erhöhen.
Eigene Prüfung vorbereiten: Verschaffen Sie sich bereits vor der Eigentümerversammlung einen Überblick über Ihre Abrechnung. Notieren Sie Fragen und Unklarheiten.
Vergleich mit Vorjahren: Prüfen Sie, ob sich bestimmte Kostenpositionen plausibel entwickelt haben oder ob es unerklärliche Sprünge gibt.
Fristen im Blick behalten: Die einmonatige Anfechtungsfrist beginnt mit der Beschlussfassung. Bei Zweifeln sollten Sie zügig handeln.
Fachliche Unterstützung: Scheuen Sie sich nicht, bei begründeten Zweifeln einen Sachverständigen oder Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Die Kosten für eine erste Einschätzung sind oft überschaubar.
Das Urteil des Amtsgerichts München bringt Klarheit in eine für die Praxis wichtige Frage: Der Verwaltungsbeirat ist bei der Prüfung der Jahresabrechnung auf die rechnerische Richtigkeit beschränkt. Eine umfassende rechtliche Bewertung der Abrechnung gehört nicht zu seinen Aufgaben und würde den ehrenamtlich tätigen Beirat überfordern.
Kernaussagen:
Für Verwalter bedeutet dies: Kommunizieren Sie transparent den Umfang der Beiratsprüfung und stellen Sie weiterhin die Qualität Ihrer Abrechnungen sicher. Für Eigentümer gilt: Verlassen Sie sich nicht blind auf die Beiratsprüfung, sondern nehmen Sie Ihr eigenes Prüfungsrecht wahr.
Die Entscheidung trägt zu realistischen Erwartungen an die ehrenamtliche Beiratsarbeit bei und verhindert eine Überforderung der Beiratsmitglieder. Gleichzeitig macht sie deutlich, dass professionelle Verwaltungsarbeit und eine sorgfältige Abrechnungserstellung durch den Verwalter unverzichtbar bleiben.
Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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