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Verwaltungsbeirat und Jahresabrechnung: Was leistet die Prüfung wirklich?

BGH-Urteil
Fachwissen
Rechtsprechung
21.10.2025
6 Minuten
Inhaltsübersicht

Verlässlichkeit der Beiratsprüfung auf dem Prüfstand

Die Jahresabrechnung gehört zu den zentralen Pflichten jeder Wohnungseigentumsverwaltung. Bevor die Eigentümergemeinschaft über Nachschüsse und Guthaben beschließt, prüft der Verwaltungsbeirat die Abrechnung und spricht seine Empfehlung aus. Doch wie gründlich muss diese Prüfung sein? Können sich Eigentümer darauf verlassen, dass eine vom Beirat geprüfte Abrechnung wirklich fehlerfrei ist?

Mit dieser praxisrelevanten Frage hat sich das Amtsgericht München in einer zwar bereits 2023 ergangenen, aber nach wie vor hochaktuellen Entscheidung befasst (AG München, Urteil v. 31.08.2023, Az. 1293 C 11654/22). Das Urteil bringt Klarheit über den tatsächlichen Umfang der Prüfpflichten des Verwaltungsbeirats und hat weitreichende Konsequenzen für die tägliche WEG-Praxis.

Der Fall: Eigentümer rügt unzureichende Beiratsprüfung

Im entschiedenen Fall ging es um Beschlüsse einer Eigentümergemeinschaft zur Genehmigung der Nachschüsse für die Kalenderjahre 2019 bis 2021 sowie um die Entlastung des Verwalters. Ein Wohnungseigentümer vertrat die Auffassung, der Verwalter habe die Abrechnungen nicht ordnungsgemäß erstellt. Seine Kritikpunkte im Einzelnen:

  • Falsche Kostenzuordnung: Kosten seien nicht sachgerecht den einzelnen Positionen zugeordnet worden
  • Nicht umlagefähige Kosten: Die Abrechnung enthalte Positionen, die nicht auf die Eigentümer umgelegt werden dürften
  • Unvollständige Beiratsprüfung: Die Belegprüfung sei lediglich von zwei der drei Beiratsmitglieder durchgeführt worden

Der Eigentümer war der Ansicht, diese Mängel hätten im Rahmen der Belegprüfung durch den Verwaltungsbeirat auffallen müssen. Er erhob daher Klage gegen den Genehmigungsbeschluss und die Verwalterentlastung.

Die Entscheidung: Verwaltungsbeirat schuldet keine umfassende Rechtsprüfung

Das Amtsgericht München wies die Anfechtung des Genehmigungsbeschlusses ab und bestätigte die Ordnungsmäßigkeit der Beiratsprüfung. Lediglich hinsichtlich der Verwalterentlastung hatte die Klage Erfolg. Die Begründung des Gerichts ist für die WEG-Praxis von erheblicher Bedeutung.

Unterstützende Funktion des Verwaltungsbeirats nach § 29 WEG

Das Gericht stellte klar, dass der Verwaltungsbeirat gemäß § 29 Abs. 2 WEG (vormals § 26 Abs. 2 WEG a.F.) lediglich eine unterstützende Funktion wahrnimmt. Diese gesetzliche Aufgabe umfasst:

Prüfung der rechnerischen Richtigkeit:

  • Abgleich der Zahlen in der Abrechnung mit den vorhandenen Belegen
  • Kontrolle, ob die angegebenen Beträge mit den Rechnungen übereinstimmen
  • Überprüfung der mathematischen Korrektheit von Umlagen und Verteilerschlüsseln

Keine umfassende Rechtsprüfung: Der Verwaltungsbeirat ist hingegen nicht verpflichtet, die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Nichtigkeit von Kostentragungsbeschlüssen zu verfolgen oder anzuwenden. Eine solche Anforderung würde den aus Wohnungseigentümern bestehenden Beirat überfordern, der seine Tätigkeit ehrenamtlich und ohne juristische Fachkenntnisse ausübt.

Prüfung durch einzelne Beiratsmitglieder zulässig

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entscheidung: Das Gericht sah es als nicht verpflichtend an, dass die Prüfung der Jahresabrechnung durch den gesamten Verwaltungsbeirat erfolgt. Die Belegprüfung kann durchaus auch durch einzelne Beiratsmitglieder vorgenommen werden. Dies entspricht der praktischen Realität in vielen Wohnungseigentumsgemeinschaften und trägt dem ehrenamtlichen Charakter der Beiratsarbeit Rechnung.

Praktische Konsequenzen für Verwalter und Eigentümer

Die Entscheidung des Amtsgerichts München hat weitreichende Auswirkungen auf die tägliche Praxis in der WEG-Verwaltung:

Für Verwalter

Realistische Erwartungen kommunizieren: Verwalter sollten bei der Einberufung zur Eigentümerversammlung und in der Tagesordnung klar kommunizieren, dass die Beiratsprüfung sich auf die rechnerische Richtigkeit beschränkt. Dies verhindert unrealistische Erwartungen bei den Eigentümern.

Dokumentation der Prüfung: Auch wenn nicht alle Beiratsmitglieder an der Prüfung teilnehmen müssen, sollte dokumentiert werden, wer die Prüfung durchgeführt hat und zu welchem Ergebnis sie gekommen ist.

Qualität der Abrechnung sicherstellen: Die Entscheidung entbindet den Verwalter nicht von seiner Pflicht, eine ordnungsgemäße, rechtlich korrekte Jahresabrechnung zu erstellen. Die Beiratsprüfung ersetzt nicht die sorgfältige Erstellung der Abrechnung.

Für Eigentümer

Eigene Prüfverantwortung: Eigentümer können sich nicht darauf verlassen, dass eine vom Beirat geprüfte Abrechnung auch rechtlich einwandfrei ist. Wer die Abrechnung eingehend prüfen lassen möchte, muss dies selbst tun oder einen Fachmann beauftragen.

Fachliche Unterstützung einholen: Bei komplexen Abrechnungen oder Zweifeln an der Richtigkeit empfiehlt es sich, einen Sachverständigen für WEG-Verwaltung oder einen auf WEG-Recht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Fristen beachten: Die Anfechtungsfrist für Beschlüsse beträgt gemäß § 45 WEG einen Monat ab Beschlussfassung. Eigentümer sollten die Abrechnung zeitnah prüfen.

Für Beiratsmitglieder

Fokus auf rechnerische Kontrolle: Beiratsmitglieder können sich auf die Überprüfung der rechnerischen Richtigkeit konzentrieren und müssen keine umfassende Rechtsprüfung vornehmen.

Arbeitsteilung möglich: Die Prüfung kann unter den Beiratsmitgliedern aufgeteilt werden, was die ehrenamtliche Tätigkeit erleichtert.

Haftungsbegrenzung: Die Entscheidung begrenzt auch das Haftungsrisiko für Beiratsmitglieder, da keine überzogenen Anforderungen an die Prüftiefe gestellt werden.

Rechtlicher Hintergrund: § 29 WEG und die Beiratsaufgaben

Mit der WEG-Reform 2020 wurde der Verwaltungsbeirat in § 29 WEG neu geregelt. Die Vorschrift sieht vor:

§ 29 Abs. 2 WEG: Der Verwaltungsbeirat unterstützt den Verwalter und vermittelt zwischen ihm und den Wohnungseigentümern. Er kann insbesondere

  1. die Jahresabrechnung entgegennehmen und prüfen,
  2. die Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer überwachen,
  3. vom Verwalter Auskunft über die Verwaltung verlangen.

Die Formulierung "kann prüfen" macht deutlich, dass es sich um eine fakultative Aufgabe handelt. Die Prüfung ist keine Rechtsprüfung im Sinne einer anwaltlichen oder sachverständigen Begutachtung, sondern eine Plausibilitäts- und Belegkontrolle.

Abgrenzung: Wann ist eine Sachverständigenprüfung sinnvoll?

In bestimmten Situationen reicht die Beiratsprüfung erkennbar nicht aus:

Komplexe Abrechnungsfragen:

  • Umstrittene Verteilerschlüssel
  • Sonderumlagen mit rechtlichen Implikationen
  • Abrechnungen nach umfangreichen Sanierungsmaßnahmen

Konfliktfälle:

  • Wiederholte Beanstandungen durch einzelne Eigentümer
  • Streit über die Umlagefähigkeit bestimmter Kosten
  • Verdacht auf fehlerhafte Verwaltung

Verwalterbestellung oder -wechsel:

  • Prüfung der Schlussabrechnung bei Verwalterwechsel
  • Aufarbeitung von Abrechnungsrückständen
  • Kontrolle nach Neubestellung des Verwalters

In diesen Fällen sollte die Eigentümergemeinschaft erwägen, einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für WEG-Verwaltung mit der Prüfung zu beauftragen. Die Kosten hierfür sind als Verwaltungskosten umlagefähig, wenn der Beschluss ordnungsgemäß gefasst wurde.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Checkliste für Verwaltungsbeiräte bei der Abrechnungsprüfung

Vor der Prüfung:

  • Vollständigkeit der Unterlagen prüfen (Abrechnung, Belege, Kontoauszüge)
  • Arbeitsteilung im Beirat festlegen
  • Ausreichend Zeit einplanen (nicht erst am Versammlungstag)

Während der Prüfung:

  • Rechnerische Richtigkeit der Einzelpositionen kontrollieren
  • Belege auf Übereinstimmung mit den Abrechnungspositionen prüfen
  • Bankkonten mit Abrechnung abgleichen
  • Rücklagenentwicklung nachvollziehen
  • Verteilerschlüssel auf rechnerische Korrektheit überprüfen
  • Auffälligkeiten oder Unklarheiten notieren

Nach der Prüfung:

  • Prüfvermerk erstellen und unterzeichnen
  • Auffälligkeiten mit dem Verwalter klären
  • Empfehlung für die Eigentümerversammlung aussprechen
  • Dokumentation für die Versammlung vorbereiten

Empfehlungen für Verwalter

Transparente Kommunikation: Informieren Sie die Eigentümer bereits mit der Einladung zur Eigentümerversammlung über den Umfang der Beiratsprüfung. Ein entsprechender Hinweis kann Missverständnisse vermeiden.

Qualitätssicherung: Nutzen Sie moderne Verwaltungssoftware wie die SCALARA Plattform, die automatisierte Plausibilitätsprüfungen und eine strukturierte Abrechnungserstellung ermöglicht. Das Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrsmodul unterstützt Sie dabei, Fehlerquellen zu minimieren.

Beiratsarbeit unterstützen: Stellen Sie dem Beirat alle erforderlichen Unterlagen rechtzeitig und übersichtlich zur Verfügung. Eine gute Vorbereitung erleichtert die Prüfung erheblich.

Digitale Lösungen nutzen: Digitale Belegarchivierung und elektronische Abrechnungsfreigaben können den Prüfprozess effizienter gestalten und die Nachvollziehbarkeit erhöhen.

Tipps für Eigentümer

Eigene Prüfung vorbereiten: Verschaffen Sie sich bereits vor der Eigentümerversammlung einen Überblick über Ihre Abrechnung. Notieren Sie Fragen und Unklarheiten.

Vergleich mit Vorjahren: Prüfen Sie, ob sich bestimmte Kostenpositionen plausibel entwickelt haben oder ob es unerklärliche Sprünge gibt.

Fristen im Blick behalten: Die einmonatige Anfechtungsfrist beginnt mit der Beschlussfassung. Bei Zweifeln sollten Sie zügig handeln.

Fachliche Unterstützung: Scheuen Sie sich nicht, bei begründeten Zweifeln einen Sachverständigen oder Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Die Kosten für eine erste Einschätzung sind oft überschaubar.

Fazit

Das Urteil des Amtsgerichts München bringt Klarheit in eine für die Praxis wichtige Frage: Der Verwaltungsbeirat ist bei der Prüfung der Jahresabrechnung auf die rechnerische Richtigkeit beschränkt. Eine umfassende rechtliche Bewertung der Abrechnung gehört nicht zu seinen Aufgaben und würde den ehrenamtlich tätigen Beirat überfordern.

Kernaussagen:

  • Die Beiratsprüfung konzentriert sich auf den Abgleich von Belegen und Abrechnungspositionen
  • Eine Rechtsprüfung ist nicht erforderlich und auch nicht zu erwarten
  • Die Prüfung kann durch einzelne Beiratsmitglieder erfolgen
  • Eigentümer tragen weiterhin die Verantwortung für die eigene Prüfung der Abrechnung
  • Bei komplexen Fällen oder begründeten Zweifeln sollte fachliche Unterstützung eingeholt werden

Für Verwalter bedeutet dies: Kommunizieren Sie transparent den Umfang der Beiratsprüfung und stellen Sie weiterhin die Qualität Ihrer Abrechnungen sicher. Für Eigentümer gilt: Verlassen Sie sich nicht blind auf die Beiratsprüfung, sondern nehmen Sie Ihr eigenes Prüfungsrecht wahr.

Die Entscheidung trägt zu realistischen Erwartungen an die ehrenamtliche Beiratsarbeit bei und verhindert eine Überforderung der Beiratsmitglieder. Gleichzeitig macht sie deutlich, dass professionelle Verwaltungsarbeit und eine sorgfältige Abrechnungserstellung durch den Verwalter unverzichtbar bleiben.

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Ein Artikel von
Astrid Schultheis
SCALARA Expertin für Rechnungswesen; Ö.r.b.u.v. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung; Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung

Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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